Blogger Relations: Die Social Media Release

Unten stehender Artikel ist ein Fachbeitrag zum immer aktueller werdenden Thema der Blogger Relations. Der Artikel wird zeitnah auf www.pr-guide.de erscheinen und ist ebenfalls auf der Website meines Arbeitgebers achtung! kommunikation GmbH (GPRA) zu finden. Über Feedback jeglicher Art freue ich mich natürlich sehr.

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Nehmen wir an, ein Unternehmen aus der Nahrungsmittelindustrie erkennt: Der Shopblogger wird häufig besucht, hat Einfluss und sollte ernst genommen und berücksichtigt werden. Mit dieser Erkenntnis ist das Unternehmen an sich bereits weiter als viele andere Firmen. Aber dann passiert der Fauxpas: Der Inhaber der Seite, der Blogger wird in den herkömmlichen Presseverteiler integriert, erhält künftig Pressemitteilungen, Produktfotos und Proben – und zwar ohne vorhergehenden persönlichen Kontakt.

Blogs üben bereits erheblichen Einfluss aus. Aber erst wenige Unternehmen behandeln sie so wie es deren Betreiber verdienen bzw. erwarten. Einige internationale Konzerne wie Coca-Cola und IBM zeigen zwar bereits, wie man es richtig und erfolgreich machen kann. Andere aber haben das Potenzial noch nicht erkannt oder aber mit Fake-Kampagnen und dem Versuch des Blog-Missbrauchs für Unsicherheit gesorgt.

Blogs: Privatvergnügen mit öffentlicher Wirkung

Blogs werden größtenteils aus privaten Beweggründen betrieben. Dies bedingt nicht nur eine hohe qualitative wie thematische Spannbreite deutscher Blogs, sondern auch eine extrem unterschiedliche Relevanz und Reichweite: Vom privaten Tagebuch zum investigativen Journalismus, vom Liebeskummer über Katzen bis Politik, von ein paar Lesern je Woche bis zu mehreren tausend Besuchern täglich. Dabei zeigen die Blogger oft eine enorme Sachkenntnis innerhalb des von ihnen abgedeckten Themas, verdienen mit dieser Tätigkeit im Web aber kein oder kaum Geld. Für die Mehrheit der Blogger ist das Bloggen ein Hobby und damit Teil ihrer Privatsphäre. Ein klassisches Werkzeug der PR – die versandte Pressemitteilung – wird entsprechend oft (selbst bei thematischer Nähe zum Blog) als Eindringen in die Privatsphäre des Bloggers und somit als Spam klassifiziert. Bestenfalls ignoriert der Blogger dies einfach, schlimmstenfalls bloggt er negativ über den plumpen Kontaktversuch. Die starke Vernetzung der Blogosphäre sorgt dann gegebenenfalls für den Rest: Schlechte PR für die PR.

Es geht hier daher nicht um Media Relations, sondern um Blogger Relations. Und diese sollten sich nicht einzig auf die Top-Blogger des jeweiligen Themas konzentrieren – womöglich in der falschen Annahme: Hohe Reichweite bei wenig Aufwand. Denn es geht nicht allein um Quantität. Es geht vor allem um die Qualität der Kontakte – also um eine möglichst relevante Reichweite. Blogger Relations – das ist in vielen Fällen der direkte Kontakt mit einem mehr oder weniger öffentlich auftretenden Repräsentanten der jeweils relevanten Zielgruppe – und gerade darin liegt die große Chance: Blogger genießen als Peers ein hohes Vertrauen in der Zielgruppe. (Kauf-)Empfehlungen, die von ihnen gegeben werden, wirken.

Der direkte Kontakt ist dabei als persönlicher Kontakt zu verstehen: Auf keinen Fall sollte der Erstkontakt zu einem Blogger per klassischer Pressemitteilung, im Regelfall auch nicht per personalisierter E-Mail erfolgen. Wer die entsprechenden Gelegenheiten nutzt, um sein Anliegen face-to-face (barcamp, Webmontag etc.) oder zumindest telefonisch offen und transparent darzulegen, hat in der Regel erheblich bessere Chancen erhört zu werden. Offenheit und Transparenz sowie Authentizität erzeugen Vertrauen. Auf Vertrauen lassen sich Beziehungen aufbauen. Und eben dort liegt der Schwerpunkt der Blogger Relations: Auf den Relations, den auf beiderseitigem Vertrauen basierenden, langfristig aufgebauten Beziehungen. Denn: Wieso sollte mich ein Blogger in seine Privatsphäre einlassen, wenn er mir nicht grundsätzlich vertrauen kann? Blogger Relations hängen damit eng mit der digitalen Reputation des zuständigen Beraters zusammen – und diese gilt es sich langfristig mithilfe der bekannten Social Media Tools zu erarbeiten.

Social Media Release statt Pressemitteilung

In der Regel sind Blogger der klassischen Pressemitteilung gegenüber nicht aufgeschlossen. Im Gegenteil: Sie sehen einen Manipulations- und Missbrauchsversuch. Dies ist selten wieder gut zu machen und wirft in den Augen der Blogger ein schlechtes Licht auf PR insgesamt. Aufgrund diverser negativer Erfahrungen entwickelte Todd Defren von Shift Communications – ergänzend zu einer Pressemitteilung – die Idee des Social Media Release (im Folgenden die übersetzte Template). Er zeichnet sich u. a. durchfolgende Merkmale aus:

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• Kurzer, einführender und zusammenfassender Absatz. Danach reine Aufzählung der News mithilfe von Bullet Points (kein Aufhänger, keine Geschichte)
• Auswahl von Zitaten verschiedener Personen zur Thematik
• Nutzen von Social Bookmarking Services, um dem Leser Kontextinformationen zur Thematik zu liefern
• Verlinkung bzw. Einbindung verschiedenster multimedialer Inhalte (Bilder / Audio / Video / PDFs etc.)
• Diverse Möglichkeiten die PR-Agentur / die zuständige Kontaktperson zu erreichen (Telefon, E-Mail, Instant Messenger, Skype, Twitter Direct Message)

Manche der aufgezählten Elemente – so zum Beispiel die multimedialen Inhalte – sind nicht unbedingt etwas Neues¬. Sie allein qualifizieren den Release auch nicht als „social“. Dazu bedarf es etwas mehr:

• Der Social Media Release wird nicht versandt, sondern kann von jedem per RSS abonniert werden. Klartext: Die Verteilerpflege fällt weg.
• Der Release wird in einem maßgeschneiderten Blog, dem Social Media Newsroom, unter Verwendung eines Weblog Publishings Systems veröffentlicht. Nur so wird gewährleistet, dass dieser in den entsprechenden Suchmaschinen (technorati, google blogsearch, blogato etc.) auftaucht.
• Der multimediale Content wird nicht auf dem firmeneigenen Server gehostet, sondern auf den dafür vorgesehenen Web 2.0 Portalen: Videos bei Youtube oder Sevenload, Präsentationen bzw. PDFs bei slideshare etc. Rückverlinkungen auf den Release erhöhen die Wahrnehmung der Mitteilung.
• Der Leser hat diverse Möglichkeiten des Feedbacks und der Weiterverwertung. So kann er direkt in dem Release kommentieren. Außerdem kann er diesen per implementiertem Button (Digg It) positiv bewerten oder mit nur einem Klick (Blog this!) in seinem Blog weiterverwerten. Vielseitige weitere Varianten sind denkbar.

Wohlgemerkt: Es geht es nicht darum, die klassische Pressemitteilung zu ersetzen, sondern diese gattungsadäquat zu ergänzen.

Erst Verstehen, dann Vertrauen schaffen

Blogger stellen als Experten und Multiplikatoren eine wichtige Adressatengruppe für die PR bzw. die Social Media Relations dar. Dabei ist für den Erfolg das Verstehen von Struktur und Funktionsweise der Blogosphäre unumgänglich. Da auch die PR-Wissenschaft das Problem der Blogger Relations bisher nur unzureichend angegangen ist, bleibt der Branche, will sie bezüglich der Social Media nicht in Bedeutungslosigkeit versinken, vorerst nur eine Möglichkeit: Durch Beobachtung und aktive Teilnahme die „Spielregeln“ der Blogosphäre erlernen, in den offenen und transparenten Dialog mit den neuen Multiplikatoren eintreten und somit langfristig beiderseitiges Vertrauen schaffen.

17 Kommentare

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17 Antworten zu “Blogger Relations: Die Social Media Release

  1. Heilige Maria Mutter Gottes, ich will wirklich keine Streit vom Zaun brechen, oder Verurteilungen aussprechen, aber Blogger als „neue Muliplikatoren“ zu bezeichnen, ist ebenso sachlich richtig, wie abstoßend – imho.

  2. Pingback: News und Links – 13.03.2008 - Crossmediale Kommunikation

  3. Bastian Scherbeck

    @Ben keine Angst – du brichst keinen Streit vom Zaun und sprichst auch keine Verurteilungen aus. Mich würde allerdings schon Deine Meinung im Detail interessieren. Wieso ist es „abstoßend“ Blogger als neue Multiplikatoren zu bezeichnen?

  4. Faszinierend finde ich an diesem Artikel, dass es überhaupt notwendig ist, die „Regeln der Blogosphäre“ zu vermitteln. Im Grunde geht es doch um nichts anderes, als dass ein Unternehmen gegenüber einer Privatperson grundlegende soziale Regeln beachtet.

    Diese Regeln sollte eigentlich jeder, der kein Soziopath ist, intuitiv und ohne „intensive Beobachtung der Blogosphäre“ verstehen.

  5. Ich frage mich, ob die Ausführungen hier nicht (leider) immer noch zu theoretisch sind. In der Praxis ist es doch so, dass PR-Firmen ein Thema auf dem Tisch haben, dass sie relativ schnell in relevanten Medien bzw. Blogs unterbringen wollen.

    Ich erlebe das dann so, dass ich per Mail kontaktiert werde und relativ schnell entscheiden soll, ob ich ein Thema aufgreife oder nicht („Launch steht kurz bevor“). Das hat nichts mit Vertrauensaufbau oder Kontaktpflege zu tun.

    Zudem fühle ich mich als Blogger, der dies unentgeltlich tut, persönlich nicht sonderlich wohl, wenn mir gegenüber eine (gut bezahlte?) PR-Agentur auftritt.

    Lieber ist mir da schon der direkte Kontakt in das jeweilige Unternehmen selbst. Zumal dort eine ungleich höhere Sachkenntnis zum relevanten Gegenstand anzutreffen ist, als bei einer Agentur. Und gerade wenn ich fundiert schreiben will, brauche ich auch sehr gute Infos, die eine Agentur dann meist nicht mehr hat. Also stelle ich auch mal von der fachlichen Seite her in Frage, ob Agenturen für (fachkundige) Blogger die richtigen Ansprechpartner sein können.

  6. Bastian Scherbeck

    @Matthias – ich denke auch hier muss man wieder differenzieren:

    Zum Einen ist es auch für die PR notwendig umzudenken. Blogs sind zwar immer relevanter, aber mit den klassischen Print und Online-Medien nicht gleichzusetzen. Du selbst weißt ja ganz genau, dass Sie anders funktionieren als die klassischen Medien. Hinzu kommt: Während Zeitung „gleich“ Zeitung ist, ist Blog nie gleich Blog. Aber wem erzähl ich das.

    Fazit: Dann muss die PR eben einen noch deutlicheren Fokus auf den Vertrauensaufbau legen – ich denke in der Kontaktpflege sind wir in der Regel schon ganz gut

    Was das fachliche Wissen angeht – da unterstellst Du uns aber was 😉 – trotz alledem spricht in vielen Fällen sicherlich auch nichts gegen einen direkten Kontakt zum Unternehmen.

    Grüße, Bastian

  7. Pingback: Über den richtigen Umgang mit Bloggern

  8. Bastian, sorry, wenn ich da etwas „überspitzt“ formuliert habe. Es war nicht böse gemeint.

    Der ideale Ansprechpartner für einen Blogger ist eben oft der Geschäftsführer einer Firma, denn den kann ich ich wirklich „löchern“ in jede Richtung: Er kennt sein Produkt durch und durch, er kennt die Reaktionen der Kunden und weiß über Konkurrenzprodukte und Markttrends bestens Bescheid.

    Der PR-Bereich muss da aufpassen und Strategien entwickeln, um den Anschluss in bestimmten Bereichen nicht zu verlieren: Dort wo Produkte immer komplexer und erklärungsbedürftiger werden, spricht es sich unter Branchenexperten leichter direkt. Vermutlich werden sich die Agenturen spezialisieren müssen, um auf bestimmten Feldern kompetent folgen und die richtigen Leute zusammenbringen zu können.

  9. mirko

    Blogs für PR zu nutzen ist schon irgendwie frech. Wo bleibt da die Unabhängigkeit des Blogs. Vorbei ist es mit den Unzufriedenen und den nicht gehörten Meinungen und ich hoffe, dass keine PR Agentur es schafft dies zu unterbinden. Wenn ein Prodkut Mist ist, dann sollte man das auch so zu lesen bekommen, sonst lese ich keinen Blog mehr. Dann kann ich mir wieder die Werbung auf den Firmenseiten selber anschauen und geh zurück zu Web1.0.
    Wenn ein Unternehmen informieren will, dann kann es dies mit einem eigenn Blog doch tun, wird dies allerdings nicht an den Meinungsbildner der Blogosphäre vorbei schummeln können. Und DAS IST AUCH GUT SO.

  10. Christian

    Wie Matthias schon richtig darstellt, gibt es mittlerweile Blogger, die sich vom Selbstverständnis her als die „besseren, weil kompetenteren“ Fachpublizisten sehen – und dies manchmal auch wirklich sind. Diese mit Informationen zu versorgen (ihre Meinung werden sie sich nämlich selbst bilden), darf nicht verboten sein und ist in der Praxis auch kein Problem. Versierte Agenturen fragen die Blogger in der Regel nach Ihrem Einverständnis, dass diese auch in den meisten Fällen erteilen. Umgekehrt schmücken sich auch einige Fachblogger bereits damit, Informationen vor arrivierten Fachmedien veröffentlich zu haben. Und manche verdienen mit ihrem Blog auch nennenswert Geld. Dass der beschriebene Fachblogger nichts mit einem normalen „Tagebuch“-Blogger zu tun hat, ist selbstverständlich. Man schickt ja auch keine Pressemitteilung an „Zeitschriften“, sondern an einen ausgewählten Verteiler. Für mich gehören die jeweils passenden Blogger in jeden guten Agenturverteiler. Wie man sie dann anspricht, ergibt sich im Einzelfall. Unser Job ist es, Kommunikation zu organisieren. Da Blogger nicht miteinzubeziehen wäre langfristig fahrlässig.

  11. Pingback: Soziale Presseaussendungen ohne Massenmails? - Redcross Webmaster's Blog

  12. Jetzt fehlt mir noch ein abonnierbarer RSS-Feed zu meinem Glück. LG aus Berlin, Sebastian

  13. hab ich das richtig verstanden, dass dem blogger dann nur noch einmal, also wenn dieser newsroom eingerichtet wird, eine mail geschickt wird? also wenn diese mail dann nett und persönlich geschrieben wäre, fänd ich das prima.

  14. Bastian Scherbeck

    Jawohl – hast du richtig verstanden – und auch nur wenn die Releases thematisch zum Inhalt des Blogs passen 🙂 – warum sollte ich den Blogger sonst informieren bzw. belästigen?

  15. super artikel. Ist die Grafik von dir? Haben derzeit wie bei jedem jungen unternehmen tausend sachen auf der agenda. das werde ich mir auf jeden fall mal näher anschauen.

  16. Roland Keller

    Im Prinzip stimme ich dem weitgehend zu. Insbesondere auch dem Kommentar, dass man Blogger dezidiert zu ihren Themen ansprechen muss.
    Die Diskussion sehe ich auch im Zusammenhang mit meiner Autorentätigkeit wichtig, bei der ich sehr viele Pressemitteilungen (sinnvolle und sinnlose, qualitativ schlechte und gute, anregende und abschreckende) erhalte.
    Der Artikel liest sich fast so, als müsse man Blogger anders als Journalisten mit einer ganz anderen Qualität versorgen und sie viel gezielter auswählen und ansprechen.
    Eigentlich erwarten das auch Journalisten, die sich tagtäglich durch viel PR-Unsinn quälen müssen, weil zu viele Meldungen für den Auftraggeber geschrieben sind und nicht für die Presse.
    Dass man Blogger anders versorgt und anspricht, macht Sinn. Doch die gleichen Ansprüche sollte man auch an Pressemeldungen legen. Kein PR-Profi glaubt, dass PR-Lyrik 1:1 von einem seriösen Objekt übernommen wird.
    Also künftig bitte nicht nur die Blogger davor verschonen, sondern auch die Journalisten, für die übrigens das Thema RSS ebenfalls zu empfehlen ist.
    Roland Keller http://www.viralclash.com

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