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Mekka Deutschland? (I)

Der Spiegel macht seine Printausgabe dieser Woche mit dem Titel Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung auf und stürzt sich damit auf ein Thema, welches die Gemüter in Deutschland nicht zu Unrecht bewegt(e). Die groben Fakten, welche den Spiegel dazu veranlassten, diese Thematik zu behandeln, kennt mittlerweile jeder: Eine Frankfurter Richterin entschied im Zuge eines Antrages um Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Ehescheidung, gestellt durch eine von ihrem Ehemann geschlagene und bedrohte 26-jährige deutsche Staatsangehörige marokkanischer Herkunft, gegen die Anwendung von Paragraph 1565 BGB Absatz 2: Das Verfahren für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist naturgemäß eng daran geknüpft, ob die Voraussetzung für eine Ehescheidung (in diesem Fall nach der Härtefallregelung vor Ablauf des Trennungs-jahres) überhaupt gegeben sind. Nach Ansicht der Richterin war dies jedoch nicht der Fall: Die Fortsetzung der Ehe stelle für die Antragstellerin keine unzumutbare Härte dar, da die „Ausübung des Züchtigungsrechts“ in diesem Fall eine Solche nicht begründe.

Züchtigungsrecht? Das Züchtigungsrecht bei Eheleuten, ursprünglich verankert im Preußischen Landrecht, wurde hierzulande schon 1812 per Edikt abgeschafft. Deutlich wird damit: Die Familienrichterin machte einen entscheidenden Fehler: Sie berief sich in ihrer Entscheidung nicht auf deutsches Recht und Gesetz, sondern auf die Herkunft der Antragstellerin und ihres Ehemannes, auf den Ort der Eheschließung (Marokko), die Art der Eheschließung („gemäß den Vorschriften des Korans“) sowie auf ein scheinbar im Koran verankertes Züchtigungsrecht, welches sie in Sure 4 Vers 34 des Korans ausfindig gemacht zu haben glaubte. Hier enthalte der Koran

„neben dem Züchtigungsrecht des Mannes gegenüber der ungehorsamen Ehefrau auch die Feststellung zur Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau.“ (zitiert nach Der Spiegel 13/2007, S. 23)

An diesem Zitat und der durch sie begründeten Entscheidung, lassen sich nun gleich mehrere Problemkreise festmachen. Zum Einen muss gefragt werden, wie es überhaupt soweit kommen konnte, dass eine an einem deutschen Gericht waltende Richterin eine religiöse Schrift in ihre Entscheidungsfindung miteinbezieht. Zum Anderen ist es nicht nachvollziehbar, dass ein akademisch ausgebildetes Mitglied der Gesellschaft trotz sämtlicher Diskussionen der letzten Jahre und einer immer stärkeren Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit dem Islam es nicht für nötig hält ihre anscheinend auf einer bestimmten Übersetzung des Korans basierende Entscheidung zu überprüfen: Eine tiefere Auseinandersetzung mit der ihrer Begründung zugrunde liegenden Materie scheint der Richterin fern gelegen zu haben.

Kommen wir zum ersten Punkt: Wie konnte es passieren, dass der besagten Richterin der Koran als Begründung für ihre Entscheidungsfindung diente? Gab es an deutschen Gerichten in den letzten Jahren Entscheidungen in welchen die Bibel als Grundlage diente? Der Talmud? Das Buch Mormon? Irgendeine andere religiöse Schrift? Ich hoffe doch nicht. Zumindest nicht in dieser Deutlichkeit. Der deutsche Staat ist weltanschaulich neutral, er darf sich mit keiner Religionsgemeinschaft identifizieren, seine Entscheidungen haben auf den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen zu fußen. Die gesetzlich garantierte Religionsfreiheit wird dadurch letztlich erst ermöglicht. Doch auch Religionsfreiheit hat ihre Grenzen. Christian Geyer von faz.net formuliert es so:

 „Was genau hat die Frankfurter Richterin falsch verstanden? […] Dass Religionsfreiheit zwar vorbehaltlos, aber natürlich nicht schrankenlos gilt. Dass dort, wo Menschenrechte verletzt werden, kein Recht auf kulturelle Differenz geltend gemacht werden kann. Dass Gewalt nicht mit tatsächlichen oder vermeintlichen religiösen Vorschriften rechtfertigt werden kann.“

Natürlich ist die Religionsfreiheit ebenfalls ein Menschenrecht (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Art. 18), diese endet jedoch dort, wo andere Menschenrechte eindeutig verletzt werden.

Kommen wir zu Punkt 2: Eine akademisch gebildete Person nimmt eine von vielen möglichen Übersetzungen von Sure 4, Vers 34 des Korans und leitet daraus ein allgemeines Züchtigungsrecht des Mannes im Islam ab. Das ist, man muss es so sagen, hochgradig einfältig. Nicht nur das besagte Dame sich damit auf ein religiöses und politisches Glatteis begibt, welches sie geradewegs zu Fall bringen muss; sie maßt sich auch noch Entscheidungsfähigkeit in Fragen an, welche höchstwahrscheinlich weit, weit, weit außerhalb ihrer Fähigkeiten liegen und verallgemeinert mehr als unzulässig.

Tafsir, die Exegese des Korans, gehört zu den wichtigsten islamischen Wissenschaftsdisziplinen. Die Interpretationen des Textes sind selbst innerhalb dieser Disziplin unterschiedlich,  u. a. deswegen weil viele Begriffe differenzierende Bedeutungen zulassen. Die Richterin des Frankfurter Familiengerichts berief sich allem Anschein nach auf eine Übersetzung M. Rassouls (oder eine diesem sehr ähnliche Übersetzung):

Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen und diejenigen, die (ihrer Gatten) Geheimnisse mit Allahs Hilfe wahren. Und jene, deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet: ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht gegen sie keine Ausrede. Wahrlich, Allah ist Erhaben und Groß.

Dumm ist nur: Dies ist nur eine der möglichen Übersetzungen. Eine ganz andere, auf Arbeit am Text basierende Übersetzung, findet sich auf huda.de, dem Netzwerk für islamische Frauen e. V. Sie lautet:

„Männer stehen in fester Solidarität den Frauen zur Seite. Angesichts der vielfältigen Gaben, die Gott ihnen gegenseitig geschenkt hat, und angesichts des Reichtums, den sie in Umlauf bringen. Integere Frauen, die offen sind für die göttliche Gegenwart, sind Hüterinnen des Verborgenen im dem Sinn, wie Gott bewahrt. Die Frauen aber, deren antisoziales Verhalten ihr befürchtet, gebt ihnen guten Rat, überlaßt sie sich selbst in ihren privaten Räumen und legt ihnen mit Nachdruck eine Verhaltensänderung nahe. Wenn sie aber eure Argumente einsehen, dann sucht keinen Vorwand sie zu ärgern. Gott ist erhaben und groß.“

Was soll uns das sagen? Die Koranauslegung allein ist eine Wissenschaft, aus der sich besagte Richterin besser herausgehalten hätte. Die deutlich differenzierenden und jeweils begründbaren Bedeutungsdimensionen des Textes lassen verallgemeinernde Aussagen im Sinne von „Der Koran sieht ein Züchtigungsrecht des Mannes für die Ehefrau vor“ nicht zu. Damit soll nicht bestritten werden, dass es solche Deutungen nicht gibt, sie entsprechen jedoch nicht der mehrheitlichen Meinung eines modernen Islam. 

Wenn wir schon einmal dabei sind: Die Richterin, einmal auf dem Holzweg, entschied sich diesem doch gleich weiterhin zu folgen. Ihre Aussage,  die Antragstellerin habe damit rechnen müssen, dass ihr in einem islamischen Land, nämlich Marokko, aufgewachsener Mann sein „religiös verbrieftes“ Züchtigungsrecht auch ausübe, ist schlicht falsch:

Nadjma Yassari vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, eine Expertin für die Anwendung islamrechtlicher Normen an deutschen Gerichten, sagte dem Tagesspiegel: „Selbst wenn beide Ehepartner Marokkaner sind und in Deutschland nach marokkanischem Recht geschieden würden, hätte die Richterin unrecht. Das erst kürzlich reformierte marokkanische Familienrecht ist eines der modernsten Nordafrikas. Ein Recht des Mannes auf Züchtigung der Ehefrau ist dort nicht verankert.“

to be continued…

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